Kritik: The Witch (US, CA, GB, BR 2015)

The Witch
© Universal

Wouldst thou like to live deliciously?

Von außen sieht er aus wie ein Hipster mit Emo-Vergangenheit. Robert Eggers, Regisseur des gefeierten Horrorfilms The Witch, stellte am Anfang April seinen Film bei den Fantasy Filmfest Nights vor. Das Kino war restlos ausverkauft. Eggers’ Antworten beim Q&A wurden von einem reizenden Humor getragen. Der Film war dagegen eine äußerst ernste Angelegenheit mit sichtlicher Hingabe zu seinem historischen Stoff. Eben ganz auf Vintage geschneidert, konsequent, zeitgemäß und so ja doch dem Hipster-Look des Regisseurs ein wenig entsprechend.

Neu-England, 1630: Eine zutiefst puritanische Familie sucht nach dem wahren christlichen Leben mitten in der Wildnis und wird Opfer grausamen Hexenwerks. Die Ernte bleibt aus. Das Neugeborene verschwindet und die Familie beginnt zunehmend sich gegenseitig zu beschuldigen. Ist Tochter Thomasin (Anya Taylor-Joy) womöglich ein Hexe?

Der Film an sich erzählt nichts neues, aber er offenbart interessante Einflüsse, von Arthur Miller bis Michael Haneke. In Das weiße Band berichtete Haneke wie der faschistische Terror am Anfang des 20. Jh. in protestantischen Dörfern heranwächst. Der Film ist geprägt von einer undurchdringlichen Hermetik, dank der in sich geschlossenen Bilder des völlig in sich geschlossenen Dorfes.

In The Witch dringt auch nichts von innen nach außen oder umgekehrt, jedenfalls fast nichts. Die Familie muss zu Beginn die schützenden Grenzen der Gemeinde verlassen. Dem puritanischen Vater war das Dorf nicht puritanisch genug. Das neue, unberührte Fleckchen Ende, was die Familie vor den Toren eines Waldes findet, soll das Fundament ihres neuen, naturverbundenen, christlichen Lebens sein. Der Schein trügt. Auch in der Weite der Wildnis bleibt die Familie gefangen, vornehmlich in den Grenzen ihres eigenen Glaubenssystems.

Trotz seiner übernatürlichen Motive geht Eggers zunächst einen ähnlichen Weg wie Haneke und nähert sich dem Stoff realistisch. Die Besetzung muss vornehmlich in neuzeitlichem englisch sprechen und auch die Hütten und Kostüme sehen aus als hätte sie eine Zeitmaschine geliefert. Die Schwierigkeiten des oftmals doch sehr kleingeistigen Filmrealismus überkommt The Witch mithilfe der Subjektivierung. In den Augen dieser neuzeitlichen Familie sind Hexen und Hokus-Pokus eben keine paranormalen Phänomene. Sie sind real. Wo in modernen Filmen paranormale Ereignisse stilisiert werden, um einen ästhetischen Grenzübertritt, z.B. als Abkehr von der blanken Realität, zu inszenieren, wechselt The Witch beinahe nahtlos zwischen Spuk und Spucke, was natürlich auch daran liegen mag, weil dieses Neu-England der 1630er Jahre allenfalls real wirken, aber kaum empirisch bestätigt werden kann, genauso wenig wie Hexen und Magie.

So sind die Hexen in The Witch auch nicht einem Kinderbuch entsprungen, sondern sind zutiefst düstere Ausgeburten des Waldes, völlig nackt und mit ungebändigtem Haar, die sich allerdings auch keinesfalls als sympathische Opfer stumpfsinniger Hexenverfolgung eignen. Eggers verteilt den Horror gleichmäßig auf beiden Seiten. Es fällt schwer zu sagen, ob der religiöse Fundamentalismus innerhalb der Familie das größere oder kleinere Übel ist. Die Hexe wird jedenfalls schon zu Beginn als faltige Vettel eingeführt, die in ihrer Höhle im Wald Neugeborene zu Hautcreme verarbeitet.

Wie bei jedem guten, modernen Horrorfilm lauert das Grauen also innen wie außen. Es gibt keine sicheren Räume. Daher gelingt auch der Fatalismus des Films. Die Familie kann kein anderes Schicksal erwarten als zwischen diesen beiden Seiten gnadenlos zermahlen zu werden. Die Kollision beider Kräfte markiert aber auch das vormoderne Verlangen des Films. Nur da die eine Seite an die andere glaubt, kann es zu solch einer Konfrontation kommen, die gerade zum Schluss eine gar reinigende, erhebende Dimension erfährt. Mit der Aufklärung wurde es im Wald nicht nur heller, sondern auch steriler. Sexismus, Gewalt und Repression sind nicht mehr ausschließlich religiös motiviert, sondern dürfen nun viele verschiedene Masken tragen. Unser Potenzial als natürliche Machtwesen, ohne Kirche, Staat oder Vernunft, ist dagegen abhanden gekommen, verschwunden, ins Reich des Aberglaubens.

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