Kritik: Jackie (CL, FR, US 2016)

© Fox
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I don’t smoke

Wirft man nur einen oberflächlichen Blick auf Jackie, so droht man schnell ein völlig falsches Bild des jüngst gestarteten Films zu bekommen. Obgleich die Vorzeichen zähes Gefälligkeitskino versprechen und auch einige Oscarnominierungen in diese Richtung deuten, stemmt sich das Werk bei näherer Betrachtung vehement gegen diese Vorurteile. Auch Jackie befeuert den jüngst entstandenen Trend zur Rundumerneuerung von Filmbiografien und was wir in den letzten Jahren etwa bei Steve Jobs oder Vor der Morgenröte bestaunen durften, findet auch hier seine Anwendung. Vorbei sind die Zeiten, in denen Biopics die formal belanglose Bebilderung eines Wikipedia Artikels darstellten und ausschweifend von den Taten einer mehr oder weniger interessanten Persönlichkeit erzählten. Hauptaugenmerk ist dabei nicht etwa ein geschichtliches Ereignis, sondern vielmehr die Person selbst. Historische Akkuratesse wird dabei kleingeschrieben, die Geschehnisse selbst dienen lediglich dazu ein möglichst vielschichtiges und treffendes Bild der Titelfigur zu erzeugen.

Um eine berühmte Persönlichkeit geht es in Jackie freilich immer noch, doch stehen dabei weder ihr komplettes Leben, noch ihre gesammelten Taten im Vordergrund. Pablo Larrains erster englischsprachiger Film beschränkt sich auf einen Zeitraum von lediglich 7 Tagen, jener Woche nach dem wohl einschneidendsten Ereignis ihres Lebens, der Ermordung ihres Ehemanns John F. Kennedy. Den Ereignissen angemessen geht es deswegen vorwiegend um einen geradezu intimen Einblick in ihr Innenleben, um das komplexe Bildnis einer zwiespältigen Frau. Regisseur Larrain bringt die innere Zerrissenheit Jackies bereits durch die filmische Form des Werkes beeindruckend zum Ausdruck. Seine Bildgestaltung ist suggestiv, elliptisch und sprunghaft erzählt er von diversen Begegnungen, in denen uns stets eine etwas andere Jackie gegenübersteht. Schnell entwickelt der Film einen genüsslichen Sog, der den Zuschauer tiefer in das mosaikartig angelegte Porträt der ehemaligen First Lady zieht. Dabei agiert er stets auf einer sehr menschlichen Ebene. Einen politischen Diskurs spart er sich ebenso wie den Anspruch auf historische Korrektheit, denn im Zentrum steht einzig und allein das Innenleben Jackies.

Aber wer war die Frau im blutbespritzten Chanel-Kostüm wirklich? Einerseits natürlich die First Lady, wie es der unnötige Zusatz im deutschen Titel bereits vorwegnimmt. Dazu Stilikone, Liebling der Nation, liebende Ehefrau und fürsorgliche Mutter. Ein Vorbild, möchte man meinen, und dennoch ist Pablo Larrains Biografie zu keinem Zeitpunkt bloße Heldenverklärung oder das Porträt einer vermeintlichen Führungsperson. Pathos? Fehlanzeige. Überhaupt scheinen die oben aufgezählten Phrasen Jackie Kennedy kaum gerecht zu werden. Zumindest nicht der Jackie, welche wir im gleichnamigen Film kennenlernen dürfen. Denn die wird als unfassbar ambivalente Figur gezeigt, faszinierend und abstoßend zugleich, stets im öffentlichen Interesse der Nation und deshalb nie sie selbst. Wenn Natalie Portman also genüsslich an einer Zigarette zieht und dabei mit entschiedener Stimme verkündet, dass sie nicht raucht, dann bringt dieser kurze Augenblick den Film perfekt auf den Punkt. Jackie ist ein Werk voller Wiedersprüche. Das Porträt einer gespaltenen Frau, deren Inneres unheimlich schwer zu fassen ist. Wer ist die echte Jackie Kennedy und haben wir sie überhaupt gesehen? Darauf liefert der Film keine eindeutige Antwort, denn letztlich geht es vor allem um eines, nämlich Selbstdarstellung.

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